Einfach natürlich bleiben.
- Ulrike Wilhelmy
- 16. Aug.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Okt.
Natürliche Prozesse in der Kulturellen Bildung bereichern uns und andere.

Meine Füsse liegen entspannt auf meinem Koffer. Ich sitze am Bahnsteig in Düsseldorf und warte am frühen Morgen auf den Zug. Der zweite Teil des Moduls 3 mit dem Thema „Verbindung mit Anderen“ wird mich mitten in die Berge führen. Dort hat die Unternehmerin Susanne Klatten das Gelände der ehemaligen Güter Nantesbuch und Karpfsee bei Bad Heilbrunn erworben und die Stiftung „Kunst & Natur“, die sinnliche und sinnvolle Erfahrungen in und mit Natur sowie das schöpferische Tätigwerden ermöglicht, gegründet. Wir werden insgesamt vier Tage in der wunderschönen Umgebung der Stiftung sein. Am Bahnhof sitzend, ist mir noch nicht klar, wie spannend diese Zeit für mich werden wird.
Projekte, Projekte, Projekte.
KUBIS gewährt uns zuächst einen Einblick in die Arbeit der Crespo Foundation und in das „Fliegende Künstler:innenzimmer“ und wir haben die Gelegenheit mit der Künstlerin Damaris Wurster über ihre Erfahrungen in der zweijährigen Arbeit im „FlieKü“ zu sprechen. Das ist für mich so inspirierend, dass ich nach meiner Abreise aus Nantesbuch die Crespo Foundation um eine Hospitation im FlieKü bitte. Beim Schwerpunkt Fundraising gibt uns Dr. Anna Punke-Dresen vielfältige Tipps rund um Finanzierungsmöglichkeiten für Kulturprojekte. All dies sind wichtige Punkte für meine eigenen Projekte. Wir erhalten darüber hinaus Einblick in die Arbeit des Kommunikationsmuseum Bern und wie dort ein Dialog mit den Menschen entsteht. Wenn man die website des Museums aufruft heißt es: "Herzlich willkommen in der Welt der Kommunikation - interaktiv, spielerisch, lehrreich. So macht Museum Spass!". Und das kann man spüren während des Vortrags des Leiters der Museumspädagogik, Gallus Staubli.

Im Planspiel widmen wir uns der Weiterentwicklung unserer Rolle. Nach der Auseinandersetzung mit Möglichkeiten und Herausforderungen in Projekten der Kulturellen Bildung, präsentieren wir schließlich in der Kleingruppe unser Projekt: „You'll never cook alone“. Es soll zeigen, wie es gelingen kann, Fördergelder von einer Stiftung zu erhalten.
Noch ganz gefüllt und erfüllt von den vielen Eindrücken, freue ich mich auf die Mittagspause und einen Spaziergang. Noch bevor ich das Haus verlassen kann, spricht mich Christian Kammler, der Leiter des Studiengangs KUBIS an, um mich zu einer weiteren Präsentation einzuladen. Noch etwas hin und her gerissen, entscheide ich mich, ihm zu folgen. Was dann kommt, ist eine einstündige Vorstellung von Sinan von Stietencron, dem Leitenden Kuratur der Stiftung für den Fachbereich Natur zu den Gestaltungsprinzipien der Permakultur und wie diese nicht nur in der Natur, sondern auch in der Kulturellen Bildung angewandt werden können. Dieser Vortrag spricht etwas in mir an, das ich sonst in solchen Kontexten oft vermisse - meine eigene Natur. Was Sinan von Permakultur erzählt, erinnert mich an die Prinzipien des Ayurveda. In dieser indischen Lebensphilosophie wird der Mensch als Natur selbst gesehen. Im Buch „Der große Weg hat kein Tor“ ist es der japanische Philosoph Masanobu Fukuoka, der vom unnachahmlichen Gleichgewicht in der Natur berichtet – ohne große Eingriffe des Menschen. Ein Buch, das ich nicht mehr missen will in dieser Welt.
Permakultur als Wegweiser
in der Kulturellen Bildung.

Sehr spannungsvoll lausche ich dem weiteren Vortrag. Sinan fasst die Prinzipien der Permakultur für uns nachvollziehbar zusammen und beschreibt, wie sie auf Kulturelle Bildung angepasst werden können. Das bedeutet, dass man Lernumgebungen so gestalten sollte, dass sie nachhaltig, vielfältig und selbstregulierend sind, ähnlich wie natürliche Ökosysteme. Es geht darum, einen Lernprozess zu fördern, der auf Beobachtung, Interaktion, Ressourcen-management und dem Schaffen von Kreisläufen basiert, anstatt auf traditionelle, oft hierarchische Bildungsmodelle zu setzen. Um sich dem anzunähern, kann man sich die Frage stellen:
„Begrenzt meine / unsere Struktur Menschen und explizit Kinder im Projekt oder fördert es sie?“ Um besser zu verstehen, was gemeint ist, ist es hilfreich, noch ein wenig tiefer in das Thema Permakultur einzutauchen.
Die Prinzipien der Permakultur
Sorge für die Erde (Earth Care):
Dieses Prinzip beinhaltet den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt und ihren Ressourcen. Es bedeutet, die natürlichen Lebensräume zu schützen, die Artenvielfalt zu erhalten und nachhaltig mit Ressourcen wie Wasser, Boden und Energie umzugehen.
Sorge für die Menschen (People Care):
Dieses Prinzip bezieht sich auf die Bedürfnisse der Menschen und die Schaffung von Lebensumgebungen, die Gesundheit, Wohlbefinden und eine nachhaltige Lebensweise fördern. Es beinhaltet auch, Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen und eine gerechte Verteilung von Ressourcen und Chancen zu ermöglichen.
Teile Überschüsse (Fair Share):
Dieses Prinzip fordert dazu auf, übermäßige Ressourcen und Gewinne zu begrenzen und das, was nicht benötigt wird, mit anderen zu teilen. Es geht darum, eine gerechte Verteilung von Gütern und Dienstleistungen zu gewährleisten und eine Kultur der Solidarität und Zusammenarbeit zu fördern.

Sinan zeichnet dazu das „Bild vom umgefallenen Baum“. Wenn ein Baum fällt sagt er, dann ist er nicht unbedingt tot. Da ist oft noch Leben in ihm. Käfer finden bei ihm eine neue Wohnung, Pilze siedeln sich an, er treibt noch einmal frisches Grün aus etc. Das können wir auch auf uns übertragen, in dem wir nach jedem Scheitern erst einmal die Frage stellen:
„Geht da vielleicht noch was?“
So, wie der Baum weiter wächst, wenn noch Leben in ihm ist, können auch wir nach einer Krise wachsen. Das Bild des gefallenen Baumes lässt sich auf unser eigenes Leben übertragen.
In der direkten Anwendung auf Kulturelle Bildung bedeutet das:
• Verbinde, statt zu trennen! Oft stehen Dinge unverbunden neben-
einander. Verschiedene und unterschiedliche Akteure kommen
zusammen - resilienter, stabiler, spannender !
• Nutze und schätze Vielfalt, dadurch entsteht neue Identität.
• Nutze kleine und langsame Lösungen. Die stille Entwicklung bringt
mehr Resilienz mit. Stabiles selbsttragendes System aufbauen.
• Nutze Randzonen und schätze das Marginale.
• Erlaube Dir Selbstregulation und nimm Feedback auf.
• Reagiere kreativ und flexibel auf Veränderungen.
• Fange Energie ein und bewahre sie, insbesondere hier im
künstlerischen Prozess (Methoden für spätere Lebenseinflüsse
können angewandt werden)
• Wende nicht zuviel Energie auf, sondern wende sie dort an,
wo es sinnvoll ist …

Neue Perspektiven...
Während ich hier schreibe, merke ich noch immer, wie sehr mich die Zeit in Nantesbuch beeindruckt hat. Neben dem Planspiel waren es die Arbeit der Crespo Foundation mit dem „FlieKü“, die Kommunikation und der Umgang damit im Museum Bern und allen voran der Vortrag über die Anwendung der Prinzipien der Parmakultur auf Kulturelle Bildung, die sich mir besonders eingeprägt haben. Aber schon bei der Abreise wird klar: es wird noch Zeit brauchen, bis sich all dies wirklich festigen kann. Und da sind auch Fragen aufgetaucht: „Wie lassen sich die Tipps aus dem Kommunikationsmuseum Bern in weniger strukturierte Kontexte überführen und auch anwenden?“ Fest steht: ich möchte zukünftig noch mehr natürliche Prozesse in meiner Arbeit berücksichtigen und Menschen einen Rahmen geben, damit sie gedeihen können, wie sie es brauchen. Da sind sie wieder, diese wunderbaren Perspektiven...




