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Mensch ? Kunst !

  • Ulrike Wilhelmy
  • 2. Juli
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Okt.

Es braucht Mut, sich in der Kulturellen Bildung der Kunst als Ausgangsmoment zu bedienen. Aber es ist gut, mutig zu sein.

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Das Studium KUBIS vergeht wie im Flug. Es ist das dritte Modul. Als Gäste in der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel beschäftigen wir uns im ersten Teil „Kommunikation mit Anderen“ damit, welche Möglichkeiten es gibt, Kontakt zu Anderen für eine Projektkooperation aufzunehmen und wo die Herausforderungen liegen. Sabine Jank von szenum Lab for Participation and Digital Transformation in Berlin bringt es für mich auf den Punkt: es ist der Aufbau von tragfähigen Beziehungen, die den Unterschied machen. Sie sagt: „Wir brauchen in der Kooperation einen hohen Stellenwert auf Sach- und auf Beziehungsorientierung!“


Große Begriffe, wie „Change“ und Transformation, begleiten uns durch die nächsten Tage und im Sinne von Rollen- und Perspektivwechseln starten wir mit einem Planspiel. Es geht darum, wie man Zusammenarbeit im Team gestalten kann, auf was dabei zu achten ist und wie man miteinander spricht, Ziele konkretisiert und gemeinsame Themen in der Kulturellen Bildung findet. Axel Watzke, dem Mitgründer und Partner der Kommunikationsagentur anschlaege.de geht es dabei um eine offene Kommunikation und um den Mut für „Schabernack“. Wir lernen verschiedene Kreativ-Methoden kennen. Durch Ideenmaschine und Spielentwicklung entstehen Ideen und unterschiedliche Denkansätze. Dabei ist es wichtig, sich immer weiter auszuprobieren und ausgehend von der Frage, was am meisten Spaß gemacht hat, nachzubessern, zu verändern und zu verstärken.


Malen eines Traums
Malen eines Traums

Hier werden für mich Bezüge zur Kunstbegleitung sichtbar, mit Kreativität spielerisch umzugehen, damit sich Menschen innenliegenden Themen zuwenden und diese dann nach außen kommen lassen können für ihr Leben. Ihnen einen Raum zu öffnen für „alles Mögliche“, zusammen Ungewohntes aufzuwerfen und einen Zugang zu den eigenen Ressourcen und Stärken zu ermöglichen und durch transformatorische Prozesse zu gehen. Dabei ist für mich wichtig, dass in Situationen, wie soziale Gegebenheiten, Teamführung, Kommunikation oder Dialog, wo ich mich einstellen muss auf mein Gegenüber und wo ein Standard nicht funktionieren wird, weil Menschen unterschiedlich sind, Menschen mit Kunst und Kreativität neue Perspektiven bieten zu können.



"Kunst bietet das „es geht auch immer anders“ und damit eine Vielzahl

von Ausdrucksformen, die es ermöglichen, Erfahrungen zu verarbeiten,

Kreativität zu entfalten und sich mit kulturellen Traditionen und gesell-

schaftlichen Entwicklungen auseinanderzusetzen."



podcast was ist kunst


Das Schöpferische als das Künstlerische sehen.

Doch was ist eigentlich Kunst? Ich stehe immer einmal wieder im Museum und frage mich, warum dieses Bild, das ich da sehe, Kunst ist? Es gibt offensichtlich irgendjemanden, der es dafür hält, sonst hinge es nicht dort – in einem Museum. Für mich selbst ist allerdings auch Kunst, wenn das Bild, die Skulptur, das Theaterstück mich berührt, mir etwas sagt, ich damit etwas anfangen kann. Manchmal überwiegt auch die Ehrfurcht, dass wir Menschen in der Lage sind, Unblaubliches zu schaffen. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an meinen letzten Besuch im Kunstpalast Düsseldorf. Mit teils aufwühlenden und sperrigen Werken konfrontiert, entdecke ich nach dem Durchstreifen der Räume einen kleinen weißen Torso von Alexander Archipenko aus dem Jahr 1922. Seine geschwungenen Linien wirken weich und sinnlich auf mich - beruhigend. Es kann heilsam sein, etwas Schönes zu betrachten. Das ist für mich auch Kunst!


Flachfigur zum weissen Torso von Alexander Archipenko, 1922
Flachfigur zum weissen Torso von Alexander Archipenko, 1922

Gespräche über Kunst.

Vor Werken, wie denen von Joseph Beuys, stehe ich jedoch oft ratlos. Fast so, wie die Jury der Jahresausstellung der „Society of Independent Artists“ in New York beim Anblick von „Fountain“ von Marcel Duchamps. Beide, Duchamps und Beuys, hatten in ihrer Wirkzeit den Anspruch, eine Änderung des Denkens herbeizuführen, die Gesellschaft aufzurütteln und einen neuen Blick auf Kunst zu zeigen. In den sog. Werkstattgesprächen, die für Joseph Beuys ein zentraler Bestandteil seines künstlerischen Denkens und seiner Lehre waren, wollte er seinen erweiterten Kunstbegriff weiterentwickeln. Das Ergebnis dieser Gespräche war eine vielschichtige und radikale Kunstauffassung, die weit über die traditionellen Grenzen der Kunst hinausging.


"Unsere Kultur, unsere Überzeugungen, unsere Lebensweise, unsere

Gesellschaft, unsere Politik usw. haben sich im Laufe der Zeit stark

verändert und so hat sich auch unser Verständnis der Dinge und

unsere Akzeptanz zeitgenössischer Ideen weiterentwickelt."


Die "Werkstattgespräche" resultierten in einer neuen Form der Kunstauffassung, die die Grenzen zwischen Kunst und Leben, zwischen Kunst und Politik und zwischen Kunst und Wissenschaft aufhob. Beuys' berühmter Satz "Jeder Mensch ist ein Künstler" ist ein Ergebnis der Gespräche und der Überlegung, dass jeder Mensch die schöpferische Kraft hat, sich selbst und die Welt zu verändern. Das sagt noch nichts über die Qualität der künstlerischen Arbeit, sondern er erklärt das Schöpferische als das Künstlerische - das ist sein Kunstbegriff und für ihn eine Grundformel des Seins. Beuys ist damit ein Wegbereiter für das kreative Tun, mit dem es möglich ist, die eigenen Erlebnisse und die eigene Gefühlswelt besser zu verstehen. Und nach der Auseinandersetzung mit diesem Thema, verstehe ich nun auch Joseph Beuys sehr viel besser.



Marina Abramović, 7 Easy Pieces, Performing Joseph Beuys,                                                                                         How to Explain Pictures to a Dead Hare (1965)                                                                                                      Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 2005;                                                                                                   Foto: Attilio Maranzano; Courtesy of the Marina Abramović Archives
Marina Abramović, 7 Easy Pieces, Performing Joseph Beuys, How to Explain Pictures to a Dead Hare (1965) Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 2005; Foto: Attilio Maranzano; Courtesy of the Marina Abramović Archives

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Die Kunst als Grundlage für künstlerische Auseinandersetzung.

Manchmal braucht es allerdings Mut, sich Kunst, die einem nicht sofort zugänglich ist, anzunähern und in der Kulturellen Bildung einzusetzen. Im Vortrag „Vom Schießen und vom Getroffen Werden. Kunstpädagogik und Kunstvermittlung 'Von Kunst aus' “ von Eva Sturm, plädiert die Professorin für Kunst und visuelle Kultur an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg dafür, dass Kunst angewandt werden sollte, um Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, davon zu partizipieren. Die Kunst als Grundlage für die künstlerische Auseinandersetzung zu nutzen und Kunstwerke, die mitunter auch sperrig sein können, nicht auszuschließen. Damit ist es dann möglich herauszufinden, mit welchen Themen sich der Künstler / die Künstlerin schon auseinandergesetzt hat und zu schauen, was sich nutzen lässt für das eigene Leben. Denn Kunst ist Erfahrung, Resonanz und innere Bewegung. Als Beispiel dazu nennt sie in ihrem Vortrag, was eine Pädagogin in einem Kunstprojekt in einer Schule erlebt hat. Als Thema hatten sich die Kinder „Schießen“ gewünscht und die Pädagogin machte sich zunächst auf die Suche nach einem Kunstwerk, dass sich dafür zum Einstieg in den Prozess verwenden ließe. Sie fand das Bild „Der bedrohte Mörder, 1926“ von René Magritte.



"Der bedrohte Mörder, 1926“ von René Magritte

Vom Handeln und vom sich Berühren lassen.

Je weiter jedoch der künstlerische Prozess voranschritt, desto verunsicherter wurde die Pädagogin. Da es auf sie zu brutal wirkte, entschied sie, den Kindern das Bild nicht zu zeigen. Sie sollten eigenständig eine Idee entwickeln. Die Szenen, die dann allerdings entstanden, waren weitaus brutaler als das Bild von René Magritte. Die Pädagogin hatte nicht berücksichtigt, dass Kinder heute über die Medien teils mit sehr viel intensiveren Bildern konfrontiert sind und in dem künstlerischen Projekt ein Forum fanden, um sich damit (allein) auseinanderzusetzen. Eva Sturm kommt zu dem Schluss, dass es wichtig ist, sich der Kunst in all ihren Facetten zu nähern. Damit ist es möglich, eine gemeinsame Kunsterfahrung zu gestalten, auch wenn damit eigene Befindlichkeiten berührt werden. Meine Erkenntnis daraus ist, dass Kunst insgesamt bedeutsam sein kann für einen gemeinsamen Dialog und für den Einsatz in der Kulturellen Bildung. Das heißt aber auch: es braucht Mut, um sie als Ausgangsmoment zu nutzen, um damit anderen Menschen Erfahrungen und Entwicklung zu ermöglichen, weil ich mich gleichzeitig dem Risiko aussetze, von ihr auch „getroffen“ zu werden.

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